Blaue Gerste, oranger Weizen? Farbige Gentech-Nutzpflanzen könnten Agrarrobotern die Arbeit erleichtern
Mit Gentech-Pigmenten nehmen Nutzpflanzen eine violette, blaue, gelbe, orange oder rote Farbe an. Agrarroboter können sie dann besser von Unkraut unterscheiden – es braucht keine Herbizide mehr.
Im April beginnt die Schossphase, bei der die Ähren des im Herbst gesäten Winter-Weizens dank steigenden Temperaturen und längeren Tagen in die Höhe schiessen. Aber nicht nur der Weizen (und andere Nutzpflanzen) wächst im Frühling, auch das Unkraut.
Früher mussten die Landwirte das Unkraut von Hand jäten, heute bekämpfen sie mit Herbiziden die Konkurrenz der Nutzpflanzen. Konkurrenz, weil das Unkraut den Nutzpflanzen das Wasser, die Nährstoffe und das Licht «wegnimmt».
Neu kommen beim Unkraut jäten Agrarroboter zum Einsatz. Die Roboter hacken das Unkraut rund um die gesäten Nutzpflanzen. Dabei arbeiten die Roboter nach dem Ausschlussprinzip. Alles, was zum Beispiel nicht wie ein Weizen-Schössling aussieht, wird weggehackt.
So einfach das klingt, so kompliziert ist es. Landwirte wissen, wie ein Weizen-Schössling aussieht. Aber nicht-landwirtschaftliche Spaziergänger können nicht einmal unterscheiden, ob im April auf dem Acker Gras oder Getreide wächst. Das gleiche Problem haben ironischerweise die Agrarroboter mit ihrer Künstlichen Intelligenz.
Wie können Agrarroboter künftig die Nutzpflanzen erkennen?
Pflanzenwissenschaftler suchen deshalb nach Lösungen, damit die Künstliche Intelligenz der Agrarroboter Nutzpflanzen und Unkraut besser unterscheiden kann. Eine Möglichkeit wäre, die Genome der Pflanzen so zu verändern, dass sie mit Pigmenten eine andere Farbe annehmen.
Das beschreibt eine Gruppe Pflanzenwissenschaftler von der Universität Kopenhagen (Dänemark) in ihrer Arbeit «De novo domestication: what about the weeds?» in der Zeitschrift «Trends in Plant Science». Diese wissenschaftliche Fachzeitschrift publiziert Arbeiten nur nach einer Peer Review (Qualitätssicherung durch unabhängige Gutachter aus dem gleichen Fachgebiet = Peers).
Was in Indien und Nepal gegessen wird, ist bei uns (wieder) ein Unkraut
Der Titel der Forschungsarbeit fragt sinngemäss übersetzt: «Wie können Unkräuter wieder zu Nutzpflanzen gezüchtet werden?» Wieder, weil Hauptautor Michael Palmgren den Weissen Gänsefuss als Beispiel nennt.
Der Weisse Gänsefuss erscheint als sogenannter Erstbesiedler an Wegrändern, in Äckern und Gärten sowie in Holzschlägen. Die robuste Pflanze wächst auf allen ausreichend nährstoffreichen Böden, bei uns vom Flachland bis in Höhenlagen von 1200 Meter. In seinem Ursprungsgebiet im Himalaja erreicht er Höhenlagen bis 4300 Meter.
In der Zeit vom 7. Jahrhundert vor Christus bis in das 11. Jahrhundert war der Weisse Gänsefuss auch in Europa eine wichtige Nahrungsquelle. Unsere Vorfahren assen ihn sprichwörtlich mit Stumpf und Stiel.
In unserer modernen Landwirtschaft wird der Weisse Gänsefuss dagegen als Unkraut betrachtet, die volkstümlichen Namen Dreckmelde, Mistmelde, Saumelde oder auch Schissmelde und Hundeschiss (wegen seinem Geruch) sagen alles.
Ganz anders in Indien und Nepal, dort wird der Weisse Gänsefuss bis heute als Gemüse, Pseudo-Getreide oder Futterpflanze angebaut. Dort werden die junge Blütenstände als Brokkoli-artiges Gemüse zubereitet. Seine Blätter und Sprosse werden wie Spinat gedämpft, die Samen zu Grütze gekocht oder zu Sprossen gekeimt und in den Salat gemischt.
Der Weisse Gänsefuss könnte vom «Unkraut» zur Nutzpflanze werden
Auf europäischen Feldern ist der Weisse Gänsefuss ein robustes Unkraut, das grosse Ernteverluste verursachen kann. Das Forschungsteam um Michael Palmgren möchte deshalb den Weissen Gänsefuss dahin züchten, dass er auch bei uns wieder zu einer Nutzpflanze wird. Das Resultat wäre dann eine sogenannte De-novo-Pflanzen (von neuem gezüchtet).
Das Problem ist nur, wie lässt sich der De-novo-Weisse Gänsefuss vom wilden «Unkraut» Weisser Gänsefuss unterscheiden? Schliesslich sollen die Agrarroboter nicht die vom Landwirt angebauten Nutzpflanzen jäten.
Eine Möglichkeit wäre, Herbizidresistenz-Gene in solche De-novo-Pflanzen einzubringen und dann Herbizide einzusetzen, um das Unkraut zu vernichten.
Die Pflanzenwissenschaftler von der Universität Kopenhagen gehen aber einen anderen Weg: sie wollen den Weissen Gänsefuss (und später andere Nutzpflanzen) durch Gentech mit anders geformten Blättern züchten.
Mit fremden Pigmenten könnten Nutzpflanzen eine andere Farbe bekommen
Oder – und jetzt wird es spannend – die Genome vom Weissen Gänsefuss werden so verändert, dass sie mit Pigmenten von anderen Pflanzen eine andere Farbe annehmen. Dann könnten die Agrarroboter mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz darauf trainiert werden, nur das Unkraut zu entfernen.
Solche fremden Pigmente wären zum Beispiel:
Anthocyane, die für die rote, violette oder blaue Farbe von Blaubeeren, Brombeeren, Johannisbeeren und Holunderbeeren, Rotkohl und Kornblumen verantwortlich sind.
Carotinoide, deren gelbe, orangen und roten Farbtöne Karotten, Tomaten und Peperoni färben, aber auch Aprikosen und den Safran.
Diese fremden Pigmente ermöglichen nicht nur eine visuelle Unterscheidung für die Agrarroboter (und für nicht-landwirtschaftliche Spaziergänger am Feldrand), sondern könnten auch Vorteile für die Gesundheit von Pflanzen und Menschen haben:
Anthocyane geben Pflanzen eine grössere Widerstandsfähigkeit gegen Pflanzenfresser, Pilzkrankheiten, bakterielle Infektionen, Schwermetall-Toxizität und andere Umweltbelastungen.
Carotinoide sind in der menschlichen Ernährung eine Quelle für Provitamin A.
Noch stehen die Pflanzenwissenschaftler von der Universität Kopenhagen am Anfang ihrer Forschung. Das Ziel des Forschungsteams um Michael Palmgren ist die Kultivierung von Nutzpflanzen, die ökologisch, nachhaltig und ertragreich sind – und gleichzeitig eine effiziente landwirtschaftliche Bewirtschaftung mit Agrarrobotern ermöglichen.